Bevölkerung lehnt neue Hochhäuser ab
Bevölkerung lehnt neue Hochhäuser ab
AUFTRAGGEBER
Credit Suisse Real Estate Fund Interswiss
ZEITRAUM
2012 - 2019
ANSPRECHPERSON
Dieter Zumsteg
+41 (0)44 456 20 11
Das ShoppiTivoli ist Spreitenbachs Aushängeschild weitum. Zukünftig direkt an der Limmattalbahn gelegen, bildet das Gebiet des in den Sechzigerjahren errichteten Einkaufszentrums sowie das südlich angrenzende Areal der Gemeinde grosses Entwicklungspotential an zentraler Lage. Doch die Bevölkerung lehnt die Zentrumsentwicklungspläne ab. Planwerkstadt erarbeitete den behördenverbindlichen Entwicklungsrichtplan, die Teilrevision der Bau- und Nutzungsordnung Neumatt sowie den erforderlichen Gestaltungsplan.
«Wir bauen ein Paradies» war der Werbeslogan des Shoppingcenters Spreitenbach kurz vor dessen Eröffnung im Jahre 1970. In Zeiten der Hochkonjunktur war das Shoppingcenter visionärer Ausdruck neuer Lebensformen und gesellschaftlicher Entwicklungen. Gebaut vor 50 Jahren auf der grünen Wiese nach den Entwürfen des österreichischen Stadtplaners Victor Gruen, wo für die 1'550 ebenerdigen Gratisparkplätze einst genug Platz vorhanden war, konnte das Shoppingcenter in seiner städtebaulichen Grundkonzeption nicht in die bestehende Ortsstruktur Spreitenbachs eingebunden werden. Ein «American Dream» war als gebauter Fremdkörper am Rande des Dorfes in den Obsthainen gelandet.
Die Eigentümerin des ShoppiTivoli beabsichtigte, auf ihrem Areal vier Wohnhochhäuser, ein weiteres Wohnhaus sowie ein neues Parkhaus zu erstellen. Diese sollten ein Gegengewicht zu den heutigen Einkaufsnutzungen bilden und zu einer Nachverdichtung dieses Raums an besterschlossener Lage beitragen. Das benachbarte Areal der Gemeinde birgt grosses Potential für einen grosszügigen Freiraum und eine Innenentwicklung Spreitenbachs.
2013 lancierte die Credit Suisse gemeinsam mit der Gemeinde und dem Kanton eine Testplanung mit drei Planungsteams, um eine langfristige Vorstellung für das Areal zu erhalten. Anhand der Testplanung wurden die städtebauliche Diskussion über diesen zentralen Stadtraum geführt und Schritte für eine qualitätvolle Weiterentwicklung definiert.
visionen für ein LEBENDIGES ZENTRUM mit viel grün
Geplant war, die verschiedenen Ortsteile von Spreitenbach zusammenzuführen und in der Mitte zu verknüpfen. Der bisher von Parkplätzen und Strassen dominierte Raum um das ShoppiTivoli hätte einen komplett neuen Charakter erhalten. Für die Bevölkerung wäre ein Stadtpark entstanden, eine Esplanade und zum Verweilen einladende Plätze. In den vier geplanten Hochhäusern und dem «Langhaus» waren gegen 600 Wohnungen vorgesehen. In den Sockeln der neuen Gebäude waren Flächen für Dienstleistungsangebote und Cafés geplant, die ein lebendiges Zentrum ermöglicht hätten.
Das zur Weiterbearbeitung beauftragte Team Ruprecht Architekten & blue architects, Balliana Schubert Landschaftsarchitekten und stadt raum verkehr, Birchler Wicki, konsolidierte den Entwurf unter der Leitung von Planwerkstadt zu den drei Richtprojekten Bauten, Verkehr und Freiraum. Gestützt auf die Richtprojekte wurde ein Entwicklungsrichtplan (ERP) erarbeitet, welcher als behördenverbindliches Planungsinstrument die Basis für alle Planungen in diesem Raum darstellt. Der mehrheitliche Grundstückseigentümer, der Immobilienfonds CS REF Interswiss vertreten durch die Credit Suisse Asset Management (Schweiz) AG beauftragte Losinger Marazzi AG als Entwickler des Areals «Neumatt Nord». Losinger Marazzi AG hat basierend auf dem ERP anfangs 2018 unter Einbezug der Gemeinde Spreitenbach einen Studienauftrag mit sieben Teams durchgeführt. Ziel des Studienauftrags war, innovative Projekte für die Weiterbearbeitung zu erhalten. Mit dem Abschluss des Studienauftrags wurde entschieden, mit drei Architekten und einem Landschaftsarchitekten (Studio Vulkan), der den gesamten Freiraum entwickelt, weiter zu planen. Diese Ideen dienten als Basis für die nachfolgenden planerischen Festlegungen in der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) sowie für den Gestaltungsplan..
Zukunftsvision einer «Esplanade» mit Blick von der Post in Richtung Langäcker (Visualisierung: Space Communication GmbH).
Der Vorschlag des Teams Ruprecht Architekten und blue architects überzeugte mit einer städtebaulichen Setzung der Baukörper, welche sich nahe am Bestand und der hochwertigen Aussenräume orientiert. Bild unten: Blick von der Landstrasse in Richtung Center Mall. (Visu: Space Communication GmbH).
Begünstigt durch die ausgezeichnete Lage im Einzugsgebiet Zürichs und erschlossen mit einem Autobahnzubringer hat sich das ehemalige Bauerndorf im Limmattal in den letzten Jahren rasant entwickelt. Der SBB-Rangierbahnhof und ausgedehnte Konsum- und Dienstleistungsgebiete entlang der Hauptverkehrsachsen (z.B. ShoppiTivoli, IKEA) prägen heute das Image der Gemeinde und tragen dazu bei, dass der Ort Spreitenbach schweizweit wahrgenommen wird. Städtebaulich manifestiert sich dieses Bild nicht nur in den zahlreichen Verkehrsinfrastrukturen, sondern auch in mehreren Hochhäusern, welche wichtiger Teil des damaligen Bildes einer modernen Stadt waren.
BEVÖLKERUNG HAT DAS LETZTE WORT
Die Angst vor Wachstum mobilisierte die Bevölkerung. An der Gemeindeversammlung vom 14. Januar 2020 wurde die Teilrevision der Bau- und Nutzungsordnung Neumatt mit 590 Nein zu 327 Ja-Stimmen abgelehnt. Inwieweit ein Referendum ergriffen wird, ist offen. Ein Fünftel der stimmberechtigen Bevölkerung müsste dieses unterzeichnen. Die Überzeugungsarbeit für das Hochhaus-Projekt fruchtete offenbar zu wenig im einstigen Bauerndorf, welches bereits in den 1960er Jahren verschiedene Wachstumsschübe zu meistern hatte und einst eine Stadt für 35'000 Einwohner werden sollte. Nun gibt es kein neues Parkhaus, dank welchem die meisten oberirdischen Parkplätze beim Einkaufszentrum aufgehoben werden könnten. Keinen grosszügigen Stadtpark, der mit der geplanten Zentrumsentwicklung verschiedene Ortsteile in der Mitte verknüpfen würde. Und auch keine neuen Wohnungen für das mittlere bis hohe Preissegment, welche gemäss Prognosen das Steuersubstrat hätten steigern können.
Der Souverän hat entschieden. Respektive jener Bevölkerungsanteil, welcher stimmen darf und die Kirche heute und morgen lieber im Dorf lassen will. Spreitenbachs Entwicklung geht gleichwohl weiter – wenn auch ohne Valentin Schmid. Der Gemeindepräsident ist am Abend der Gemeindeversammlung zurückgetreten.
Mit über 900 Anwesenden in der Umweltarena Spreitenbach waren am 14. Januar 2020, zur zweiten Ansetzung der im November 2019 verschobenen Gemeindeversammlung, ungewöhnlich viele Spreitenbacherinnen und Spreitenbacher aufmarschiert. Inwieweit ein Referendum ergriffen wird, ist offen. Ein Fünftel der stimmberechtigen Bevölkerung müsste dieses unterzeichnen. Bild: B. Weber.
Die Pläne zur Verdichtung hätten die gegenwärtige Entwicklung des prosperierenden Limmattals aufgenommen und den Weg für eine qualitative Verbesserung des Lebensraums geebnet. Die Vorstellungen, wie man wohnt und arbeitet, haben sich im Laufe der Jahre gewandelt. Die Verdichtung der Siedlungsräume fordert Lösungen mit einer Konzentration von Bauten an hoch erschlossenen Lagen. Mit der erhöhten Erschliessungsgunst durch die Limmattalbahn wird auch in Spreitenbach eine neue Dynamik erwartet, der es umsichtig zu begegnen gilt.
- Organisation Testplanung
- Überführen der Resultate in ein behördenverbindliches Planungsinstrument (ERP)
- Erarbeitung eigentümerverbindliche Planungsinstrumente (Teilrevision Nutzungsplanung, Gestaltungsplan)
- Gesamtleitung Planungsprozess
- Projektmanagement und Koordination aller Disziplinen (Architektur, Landschaft, Verkehr, Umwelt, Kommunikation etc.)